Live aus China · Mein Leben im Reich der Mitte by Lüthi Barbara

Live aus China · Mein Leben im Reich der Mitte by Lüthi Barbara

Autor:Lüthi, Barbara [Lüthi, Barbara]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Erzählungen
ISBN: 9783280055519
Herausgeber: Orell Füssli Verlag
veröffentlicht: 2014-10-15T00:00:00+00:00


Von rechtlosen Bauern und unerwünschten Journalisten – Landenteignung in China

»Ich bin Bäuerin und seit über 30 Jahren Parteimitglied. Doch warum behandeln die Kommunisten uns Bauern so? Warum gibt uns die Partei keine Gerechtigkeit?«

Bäuerin in der westchinesischen Provinz Sichuan

»Ein Journalist sollte mit dem Herzen eines Poeten arbeiten, schreiben wie ein Historiker und kämpfen wie ein Soldat.«

Wang Keqin, Enthüllungsjournalist

Ich stapfe mit den Bauern über das Feld. Es sind viele, etwa hundert. »Wir sind wütend und verzweifelt. Wir haben keine Rechte und kein Geld. Wir wollen unser Land zurück, die Behörden hören uns nicht an, sie jagen uns fort. Wo sollen wir denn leben?«, fragt eine Bäuerin.

Die Bauernfamilien im Dorf Qianjing in der westchinesischen Provinz Sichuan haben alles verloren. Sie zeigen mir, wo einst ihre Häuser und ihr Ackerland waren. Eine Frau hebt den Arm. »Hier haben wir gelebt und alles gepflanzt. Ohne unsere Felder haben wir nichts zu essen.«

600 Familien lebten seit Generationen hier in der Umgebung der Provinzhauptstadt Chengdu. Die Lokalbehörden haben ihr Land konfisziert und ihre Häuser niedergerissen. Auf den Feldern sollen Fabriken entstehen. Den Bauern wurden pro 600 Quadratmeter enteignetes Land 4000 Dollar versprochen, erhalten haben sie noch nichts, sagen sie. »Die lokalen Beamten stecken die Kompensation in die eigene Tasche. Sie kaufen sich Autos und Wohnungen und wir haben nicht einmal ein Dach über dem Kopf. Wir sind auf unser Land zurückgekehrt, haben Zelte aufgestellt und angefangen, unsere Häuser wiederaufzubauen. Dann kamen die Polizisten und schlugen uns zusammen. Es war schrecklich«, erzählt eine Bäuerin.

Über 1000 Polizisten der Sondereinheit kreisten die Bauern ein. Einige umstellten die Felder, andere begannen die Mauern zu zerstören, welche die Bauern gebaut hatten. Im Auftrag der Lokalregierung verjagten und verprügelten die Polizisten die Bauernfamilien. 36 Menschen wurden vorübergehend verhaftet.

»Die Polizisten warfen mich auf den Boden, traten und schlugen mich. Ich wurde bewusstlos. Ich erhielt kein Geld für mein Land. Mit meinem Ersparten habe ich hier ein Haus gebaut. Das wollte ich meinen Kindern vermachen. Ich habe nichts mehr«, schluchzt eine alte Frau und schlägt die Hände vors Gesicht. »Sie behandeln uns wie Tiere. Wie Kriminelle werden wir verjagt. Wo sollen wir denn hin? Wir sind alt und schwach. Wir haben unser Leben lang gearbeitet. Was haben wir denen denn angetan?«, weint eine andere.

Der Kampf um Land ist einer der schärfsten Konflikte im heutigen China. Seit Chinas Wirtschaft boomt und immer mehr Bauland gebraucht wird, ist das Ackerland besonders in der Nähe der Städte zu einer begehrten Ware geworden. Da mit Land viel Geld zu verdienen ist, deklarieren vielerorts die Parteifunktionäre das Ackerland zu Bauland und vertreiben die Bauern gegen eine kleine Entschädigung – falls diese überhaupt bezahlt wird. Immobilienmakler und Erschließer kaufen das Land von den Lokalbehörden als Privatbesitz, um darauf Fabriken, Bürogebäude und Wohnkomplexe zu bauen. Und das, obwohl die Bauern das Land im Kollektiv mitbesitzen.

Von den Kommunisten wurde das Land der Bauern in den 1950er-Jahren verstaatlicht. In den 1980er-Jahren erhielten die Bauern im Zuge der Reform- und Öffnungspolitik Landnutzungsrechte. Mit ihren Dörfern schlossen sie einen Pachtvertrag über das Land ab, bevor sie es nutzten.



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